Liebe

Oh was ein Wort, was für ein Gefühl! So vielfältig und reich, dass auch große Romane nur Aspekte ausloten können. Wir träumen davon und kommen der Liebe, nach der wir uns zutiefst in unserem Inneren sehnen, doch nicht wirklich nahe.

Vorab: Nein, es geht nicht um die kranke narzisstische Selbstliebe. So wie sie von einem bekannten mächtigen Mann in einem fernen Land gelebt wurde und wird; voller Hass und Zerstörungswut. Doch seine Zeit an der Macht als Regierungschef geht Anfang 2021 zu Ende.

Noch ein „Nein“: Es geht auch nicht um „Bauer sucht Nackedei“ oder was so alles im Trash-TV oder in den gelben Seiten der Regenbogenpresse verbreitet und konsumiert wird. Ablenkung vom Wesentlichen.

Ja, was denn dann? Wie finde ich zurück zu meiner so tiefen Sehnsucht nach Sinn und Erfüllung. Nach dem, was der Konsumwahn und die ständigen Ablenkungen der Welt nicht im entferntesten bieten können. Doch wie hypnotisiert und in tiefer Trance folgen wir den Versprechungen, die am Ende der Tage, am Ende des Lebens, haltlos sind. Wie gut dressierte Hunde laufen wir den Versprechungen hinterher. Tun alles, um eine Belohnung vom Herrchen zu erhalten. Und geben uns damit zufrieden und sind glücklich. Doch bei dem, das ich meine, geht es um weit mehr.

“Gott ist die Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.”
1.Johannes 4,16b. Oh Scheck, was Christliches….. Doch die Bibel ist eine der großen Weisheitslehren.

Wort für Wort alles für wahr halten? Auch da gehen wir fehl.

Wir müssen die alten Weisheitslehren entstauben und neu übersetzen. Infantile Vorstellungen abstreifen. Das ist die Aufgabe der Poesie und der Mystik. Das unsagbare, für uns Menschen unverfügbare, in uns zum Klingen bringen.

Eine erste Erfahrung, vor etlichen Jahren. Eine Reise in die Toskana. Angekommen. Abends, beim sanften Schein der Kerze, die im Zimmer ein geheimnisvolles Licht verbreitet. Eine Einladung stille zu sein. Ich schließe die Augen und richte meine Aufmerksamkeit nach innen. Die Unruhe, die nach der langen Anreise noch in mir ist, verschwindet nach ein paar Atemzügen. Ich atme tief durch und spüre Freude in meinem Bauch aufblitzen. Sie springt in schnellen Sätzen durch meinen Körper und zaubert ein Lächeln auf mein Gesicht, doch ich bleibe weiter aufmerksam und ohne Anstrengung bei mir.

Wieviel Zeit ist verstrichen? Ich tauche aus der inneren Welt auf und empfindet Klarheit, ohne Worte. Mein Körper fühlt sich ausgeruht und kraftvoll an, ich bin entspannt und ruhig. Eben habe ich erlebt, dass es in der Welt mehr gibt, als durch Zählen, Messen und Wiegen beweisbar ist. Doch ich kann das, was ich erfahren haben, kaum in Worte fassen.

Auf der Reise in die innere Welt habe ich auch einen unablässigen Bilder- und Gedankenstrom in mir entdeckt. Und bemerkt, dass er machtvoll und meist unbemerkt mein Leben – und Erleben – bestimmt. Die Bilder und Gedanken, die mich bisher beherrscht hatten, waren Zerrbilder des Lebens.

Soweit erste Erfahrungen auf dem Heimweg; niedergeschrieben in meinem Erstlingswerkt (In die Stille).

Heimkehr ist die Bewegung unseres Lebens. Doch wo und wie finde ich diese Liebe: In der Stille! Ein Fingerzeig, wieder aus der Bibel: Könige  19, 11-12

Der Herr ging vorüber: ein großer, gewaltiger Sturm, der Berge zerriss und Felsen zerbrach, kam vor dem Herrn her; aber der Herr war nicht im Sturm. Nach dem Sturm kam ein Erdbeben, aber der Herr war nicht im Erdbeben. Nach dem Erdbeben kam ein Feuer; aber der Herr war nicht im Feuer. Nach dem Feuer kam das Flüstern eines leisen Wehens.

Merkwürdig: Es geschieht Großes, Gewaltiges, das Erschütterungen hervorruft - Gott aber ist nicht dabei. Und es geschieht Unbedeutendes, ein Flüstern nur, kaum bemerkbar — und da ist Gott! Es bedarf konzentrierter Aufmerksamkeit, um aus der Stille heraus Gottes Stimme zu vernehmen. Aus dieser Stille heraus wird die Liebe, die ich meine, geboren. Auf dem Weg dorthin, wo der Wille Gottes und mein Wille identisch sind, da begab ich mich konkret zunächst auf eine Entdeckungsreise in meine frühen Prägungen. Ein ziemlich großes, bislang relativ unbewusstes Repertoire an Auf- und Abwertungen brach auf. Meist waren es Abwertungen. Geboren aus Selbstschutz meines Wesens.

Irgendwie in der Flut der früh empfundenen eigenen Wertlosigkeit mich stabilisieren; nicht untergehen. Doch was muss das für eine Liebe sein, die von Gott ausgeht. Welche Qualitäten hat diese Liebe? Da, wo ich trotz meiner Fehler, meiner Schwächen rückhaltlos, ohne Vorwürfe, geliebt bin. Da muss ich nicht mehr gegen irgendetwas oder jemanden kämpfen. Bergendes Erbarmen wird die Liebe Gottes zugesprochen, wie der Liebe von Müttern.

Wie befreiend von alten Lasten ist diese Erfahrung jenseits der begrenzenden Erfahrungen meines Verstanden, die so oft so schmerzhaft sind. Hier bin ich geborgen, ich muss nichts mehr leisten. Angenommen in meinem Sein, so wie ich bin. So viel Lebensenergie war bislang im Aufrechthalten der Schutzmauern gebunden, das stimmt mich sehr traurig. Doch ich kann da Licht der Liebe nun sehen. Das macht mir Mut. Mut auf dem Heimweg, meiner Rückbindung an den göttlichen Urgrund. Der Dualismus unserer Gedankenwelt wird diesen niemals erfassen können. So sehr bereichert die Mystik hier, die Ahnungen des unsagbaren erfahrbar macht. Die Qualitäten der Liebe, die ich meine, sind so klar und deutlich im Hohelied der Liebe beschrieben. Sich davon berühren lassen, das bereichert. Das ins Leben zu bringen, ist - vielleicht – eine Lebensaufgabe. Denn es gilt: „Gott ist die Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.” Es gibt nur die Pole Liebe und Angst. Dazwischen liegen viele Schichten, mit denen wir uns von der Liebe getrennt halten. Warum halten wir lieber die Angst fest? Fehlt das Vertrauen in die Liebe, das 100%ige Vertrauen? Es ist, als wollten wir uns gegen irgendetwas versichern; die Kontrolle behalten. Das ist aber konträr zur absoluten Hingabe, Hingabe an etwas Größeres als wir es sind. Wir sind aus diesem Größeren geboren und unser Weg führt dorthin zurück. Da kann uns unsere innere Sehnsucht leiten, auf diesen Weg einzuschwenken und ihn – Schritt für Schritt auch gehen. Wir müssen da nicht perfekt sein, wir sind eh angenommen und geliebt. Exakt so, wie wir sind. Aus diesem Spannungsbogen heraus ist Entwicklung zur Liebe möglich. Zu der Quelle unseres Seins.

 

Das hohe Lied der Liebe

  1. Kor 13,1-7 (Elberfelder Bibel)

Wenn ich in den Sprachen der Menschen und Engel rede, aber keine Liebe habe, so bin ich ein tönendes Erz geworden oder eine schallende Zimbel.

Und wenn ich Weissagungen habe und alle Geheimnisse und alle Erkenntnisse weiß und wenn ich allen Glauben habe, so dass ich Berge versetze, aber keine Liebe habe, so bin ich nichts.

Und wenn ich alle meine Habe zur Speisung der Armen austeile und wenn ich meinen Leib hingebe, damit ich Ruhm gewinne, aber keine Liebe habe, so nützt mir das nichts.

Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig; sie neidet nicht; die Liebe tut nicht groß, sie bläht sich nicht auf. Sie benimmt sich nicht unanständig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbitten, sie rechnet Böses nicht zu, sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sondern sie freut sich mit der Wahrheit.

Sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alle, sie erduldet alles.

Diese Qualitäten, die gilt es mehr und mehr ins Leben zu bringen; abseits der ausgetretenen Pfade der von Konsum getriebenen Masse. Für mich wieder ein Schritt auf meiner Lebensreise, begleitet durch meine Lehrerin Dr. Kajta Held und die Gruppe, die sich 9 Wochen auf eine gemeinsame Reise begeben hatte.

 

APPLIEDCOREVALUES®  all together for everyone“  Dr. Katja Held

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Rüdiger Schaller, 13.12.2020

Autor des Buches: "In die Stille"