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Kategorie: Blog
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Grenzen der Dankbarkeit

„Wäre das Wort ›Danke‹ das einzige Gebet, dass du je sprichst, so würde es genügen“ so sagte es einst Meister Eckhart; ein christlicher Mystiker aus dem 14. Jahrhundert. Das zeigt uns auf, wie essentiell Dankbarkeit für unseren persönlichen Lebensweg ist.

Tief berührt vom Erfahrungsraum der Dankbarkeit erkennen: Ja, mein Leben ist ein unendlich wertvolles Geschenk. Mein Körper, mein Verstand und meine Talente: nichts erarbeitet, alles ist ein Geschenk. Wie auch alle Lebewesen, ob zu Land, Luft oder im Wasser. Die Meere, die Berge, die Flüsse. Die stillen tiefen Wälder, Räume in denen man der Verbundenheit mit allem nachspüren kann. Wie auch in der Weite der Meere an den Küsten.

Nichts habe ich davon geschaffen – alles ist ein Geschenk. Staunen und sich freuen wie ein kleines Kind, das zum ersten Mal einen Schmetterling auf einer bunten Blumenwiese sieht. Mit Dankbarkeit im Alltag alles betrachten, das führt in die innere Weite. In diesem Erfahrungsraum hört die Gier, das ständige innere getrieben Sein, auf. Ich kann sehen, was ich habe, und ich bin dankbar. Das bereichert; Freude blitzt da immer wieder in mir auf. Und es reift auch die Erkenntnis, dass ich nichts wirklich unter Kontrolle habe. Morgen ein Schlaganfall und alle meine geistigen Talente sind nicht mehr vorhanden. Dankbar im Augenblick leben, das ist mein Ziel. Annehmen, was kommt.

Mein Leben, ein Geschenk. Doch es können Grenzen auftauchen auf dem Weg in den Raum der Dankbarkeit. Innere Erfahrungsräume, geprägt durch ganz andere Erfahrungen: Abgelehnt im Sein, oft auch Missbrauch; gar körperliche Gewalt gegen ein kleines Menschenkind, das noch keinen relativierenden Verstand hat. Nur fühlt. Und das zutiefst im Wesen erschrocken; innerlich quasi erfroren ist. Auf dem Weg der Heilung Tat und Täter trennen; die Tat war nie in Ordnung und wird es auch nie sein, auch wenn dem Täter vergeben werden kann. Irgendwann, auf dem Weg der Heilung, können sich auch Grenzen der Dankbarkeit verschieben: Wo zunächst aus Selbstschutz eine innere Grenze gesetzt wurde, aufgrund der verletzenden Erfahrung, kann über den Weg der Vergebung die Persönlichkeit weiter reifen. Darüber weitet sich der innere Raum der Dankbarkeit. Gerade auch an dem bisher blinden Punkt, der so sehr auf der Seele lastete.

 

Rüdiger Schaller, 04.03.2023 

Autor des Buches „In die Stille“         Neu: Jetzt auch als eBook

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